JULIAN KERKHOFF - „THE PRESENCE OF THETYS“

von Felix Stadie

Aus der Architektur kommend, erhielt Julian Kerkhoff im Frühjahr 2019 ein Atelier in den städtischen Domagk Ateliers in München, wo er seitdem architektonische Grundthemen im weitaus freieren Kontext der Kunst interpretieren konnte.

Der Zyklus „The Presence of Thetys“, dem die im Portfolio gezeigten Arbeiten angehören, stellt das Ergebnis seines Wandels aus der Architektur in die Kunst in den vergangenen drei Jahren dar und wurde im August 2021 im Rahmen seiner ersten Einzelausstellung in der halle50 in den Domagk Ateliers (München) präsentiert. Julian Kerkhoff lebt und arbeitet in München und Berlin.

Künstlerstatement zu „The Presence of Thetys“

Durch die Architektur, oder die „dritte Haut des Menschen“, wie Hundertwasser sie bezeichnete, setzen wir uns mit unserer Umgebung ins Verhältnis. Sie bildet eines der maßgeblichen Bindeglieder zum nächst größeren, übergeordneten Kontext, dessen Bestandteil wir gleichermaßen bleiben. Seit meinem Architekturstudium an der TU München beschäftige ich mich mit solchen Verhältnissen wie beispielsweise Maßstab und Proportion, Transformation und Kreislauf oder Ursprung und Entwicklung.

Anhand einer wissenschaftlichen Arbeit sowie dem Entwurf einer schwerkraftbetriebenen Weinkelterei mit Hotelnutzung an der östlichen Küste Neuseelands (Master Thesis) untersuchte ich ebenjene Schnittstelle zwischen dem Nativen und dem Überformten, welche insbesondere die Architektur einer landwirtschaftlichen Produktionsstätte wie einer Kelterei kennzeichnet. Dabei verkörpert sie die transformatorische Kulturleistung vom Fels zur gemauerten Wand, von der Traube zum Wein, von der Plattentektonik zur Architektonik.

Ausgehend davon stellen die gezeigten künstlerischen Arbeiten eine tiefergehende und freiere Auseinandersetzung mit einigen zunächst in der Architektur und der Erdgeschichte verorteten Themen wie Proportion, Dimension, Transformation und Maßstab dar. So beschäftigt sich der Zyklus “The Presence of Thetys” mit den gewaltigen Umwälzungen im Erdzeitalter des Jura vor rund 200 Mio. Jahren, als der einstige Superkontinent “Pangaea” zu zerbrechen begann.

Am östlichen Rand dieser schier unvorstellbaren Landmasse befand sich eine gewaltige Meeresbucht, benannt nach einer Titanin der griechischen Mythologie, die Thetys. Ihre Überbleibsel sind unter Anderem im heutigen Mittelmeer begriffen und ihr einstiger Meeresboden bildet heute an vielen Stellen europäisches Festland. In diesem Sinne ist dieser prähistorische Ozean, dessen zeitliche Dimension sich unserer Vorstellungskraft entzieht, nach wie vor vorhanden. Er, oder vielmehr Sie, hat nur die Gestalt gewandelt. Wie scheinbare Fossilien laden die Arbeiten in Gestalt von Gipsabformungen und im Enkaustikverfahren (Wachs) bearbeiteten Gipstafeln die Betrachtenden dazu ein, sich auf einer nonverbalen Ebene mit diesen sowohl zeitlich wie auch dimensional schwer greifbaren Maßstäben in Bezug zu setzen. Der fortwährenden Transformation und ihrer Bedeutung für uns soll in einer stillen, räumlichen und vermeintlich zeitlosen Erfahrung begegnet werden. Schon die Architektur hat das Potential, mit den Menschen auf einer wortlosen und unterschwelligen Ebene zu kommunizieren. In der Kunst sehe ich ebendieses Potential vervielfacht, sodass ich die Möglichkeit habe Gedanken oder Gefühle auszudrücken, für die mein sprachlicher Wortschatz lange seine Grenzen erreicht hat.